Kirche: Katholische Gemeinde

Simultankirche

Die Simultankirche um 1875
Die Simultankirche um 1875

Seit 1655 war durch den Hagener Rezess das Simultanverhältnis für die bestehende St. Pankratius-Kirche festgelegt worden. Vereinfacht gesagt hatten die Konfessionen den bisherigen kirchlichen Besitz an Grund und Gebäuden in Gütersloh untereinander aufgeteilt und geregelt, wer zu welchen Bedingungen weitere Pflichten und Rechte, z.B. an der nunmehr gemeinsam genutzten Kirche, in Anspruch bringen konnte.

Auseinandersetzungen nach dieser konfessionellen Spaltung blieben trotz aller Regelungen bis ins 19. Jahrhundert nicht aus. So gab es 1724 einen tumultartigen Streit um den Ostertermin, weil dieses Fest zwischen dem in der evangelischen Herrschaft Rheda gebräuchlichen Kalender und dem im katholischen Fürstbistum Osnabrück genutzten um eine Woche verschoben war. Auch die Besetzung der evangelischen Pfarrstelle konnte bis 1780 durch das katholische Kollegiatstift in Wiedenbrück kontrolliert werden.

Ab 1780 beruhigte sich die Situation allmählich. Um 1820 wurde die Kirche beispielsweise von beiden Konfessionen gemeinsam umgestaltet. Zu dieser Zeit sind auch die Figuren der Kreuzigungsgruppe in der Alten Kirche aufgestellt worden, die heute im Stadtmuseum zu betrachten sind. Sie wurden bei der erneuten Umgestaltung nach 1890, nun nur durch die evangelische Gemeinde, wieder entfernt.

 

Im 19. Jahrhundert führte nur noch die gemeinsame Nutzung der Kirche gelegentlich zu Störungen der Gottesdienste mit nachfolgenden Querelen. Diese schliefen zeitweise ein, als zwischen 1861 und 1879 die evangelische Gemeinde ausschließlich ihre Neue Kirche nutzte. Um ihnen künftig aus dem Weg zu gehen beschloß man nach langen, 1882 begonnenen und erst 1887 abgeschlossenen Verhandlungen die Auflösung des Simultaneums an Kirche und Kircheneigentum.

Nur der gemeinsame Friedhof „Unter den Ulmen“ ist heute noch eine Folge des Simultaneums. Allerdings gibt es darüber einen eigenen Vertrag zwischen den beiden Kirchengemeinden.

Alte Kirche

Der Altarraum bis 1890, heute zum Teil im Stadtmuseum zu sehen
Der Altarraum bis 1890, heute zum Teil im Stadtmuseum zu sehen

Bevor die heutige St. Pankratius-Kirche eingeweiht wurde, diente die Alte Kirche (heute Apostelkirche) Katholiken und Protestanten im so genannten „Simultaneum“ gemeinsam als Gotteshaus. Mit der Einweihung der neuen St. Pankratius-Kirche erhielt die katholische Gemeinde von Gütersloh ihr erstes eigenes Sakralgebäude.

St. Pankratius

St. Pankratius von der Dalke aus gesehen, um 1910
St. Pankratius von der Dalke aus gesehen, um 1910

Die Zahl der Katholiken in Gütersloh und den umliegenden Bauerschaften stieg wie die Gesamtzahl der Menschen in der Region stetig an. Das entsprach der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung, lag aber auch am Zuzug von Arbeitskräften für die allmählich entstehende Industrie und für die Eisenbahnen.

Nach 1861 hatte die katholische Gemeinde die alte Kirche 18 Jahre lang trotz des juristisch bestehenden Simultanverhältnisses mit der evangelischen Gemeinde allein weiter nutzen können, weil die evangelische Gemeinde die alte Simultankirche nach dem Bau ihrer neuen Kirche nur zu Beerdigungsgottesdiensten nutzten. Seit 1879 aber reichte die Kirche nicht mehr aus, denn die Katholiken organisierten auch in Gütersloh nun überall ein aktives, anziehendes Gemeindeleben. Man sprach in einem Schreiben an das Generalvikariat sogar davon, dass die Gemeinde angesichts der Zustände in der alten Kirche „geistige Verödung“ erleide.

Nachdem am 17.11.1887 das Simultanverhältnis an Kirche und Grundbesitz aufgehoben worden war, entschied man sich 1888 für den Bauplatz auf dem Land des Colons Westmöller zwischen dem neuen Friedhof und der Dalke an der Chaussee nach Wiedenbrück. Der Bauplatz lag in der Bauerschaft Kattenstroth, außerhalb des Stadtkerns.

Altarraum um 1910
Altarraum um 1910

Die Baukosten wurden durch Kirchenabgaben und Spenden erbracht. Pfarrer Laurentius Becker wandte sich mit einem Spendenaufruf auch an die Katholiken außerhalb Güterslohs: „Helft uns beim Bau einer Kirche im evangelischen Rom” hieß es unter Anspielung auf die Erweckungsbewegung, das evangelische Gymnasium, den Carl-Bertelsmann-Verlag und die Mehrheit der protestantischen Bevölkerung in diesem Aufruf.

Diözesan-Baumeister Arnold Güldenpfenig plante den Neubau dieser neuromanischen Kirche, den der Soester Maurermeister C. Plassman ausführte. Am 15. Oktober 1890 wurde sie vom Paderborner Weihbischof Dr. Augustinus Gockel geweiht. Die Gütersloher Zeitung berichtete: „Die nunmehr geweihte Kirche erhielt den Namen „St.-Pankratius-Kirche“, also den Namen, den die Simultankirche bis dahin getragen hatte”.

 

Die Kirche an der heutigen Straße „Unter den Ulmen” wurde zur Heimat und zum Kristallisationspunkt des Gemeindelebens einer Kirchengemeinde, die bis zum Zweiten Weltkrieg noch fast das ganze Gebiet des historischen Kirchspiels umfasste. Nur Avenwedde war 1835 ausgepfarrt worden. Erst durch die Kirchenbauten in Kattenstroth, Spexard und im Miele-Viertel wurde sie in den 1950er Jahren zur Mutterpfarrei für nahezu alle Gütersloher Gemeinden mit Ausnahme der in Isselhorst, Avenwedde und Friedrichsdorf.

Katholische Pastoren

Pastor Laurentius Becker wirkte von 1887-1904 an St. Pankratius
Pastor Laurentius Becker wirkte von 1887-1904 an St. Pankratius

Die katholischen Pastoren wohnten bis 1894 im Pfarrhaus am Domhof, einer kleinen Nebenstraße der Kirchstraße, also in unmittelbarer Nähe der alten St. Pankratius-Kirche.

Zu den profiliertesten Pfarrer-Persönlichkeiten der katholischen Gemeinde gehörte Johann Anton Meybüscher, der von 1890 bis 1823 Pfarrer in Gütersloh war. Sein „ und damit auch der Gemeinde - Verhältnis zur evangelischen Gemeinde und Geistlichkeit scheint entgegen aller Erwartung entspannt und kollegial gewesen zu sein.
Mit Pastor Martin Nagel (1823 bis 1849 in Gütersloh) und seinem kurzzeitigen Nachfolger W. Diekmann (1849-1853) verbinden sich keine außergewöhnlichen Ereignisse im Gemeindeleben. Deren Wahrnehmung in Gütersloh fällt wegen der Entwicklungen um die evangelische Erweckungsbewegung und ihre Protagonisten Volkening und Bertelsmann allerdings wohl zu gering aus.

Pfarrer Anton Berens, der von 1853 bis 1887 in Gütersloh tätig war, wirkte unter anderem an den Auflösungsverhandlungen für das seit 1655 bestehende Simultaneum mit, um danach einen Kirchenneubau einzuleiten. Er hatte als erster katholischer Pfarrer die weitgehende Freiheit der Nutzung einer „eigenen“ Kirche erlebt, als die neue evangelische Kirche fertiggestellt worden war und die üblichen Probleme der gemeinsamen Kirchennutzung 1861 entfielen.

 

Pastor Laurentius Becker (1843-1904) war vom 16. August 1887 bis zu seinem Tod am 6.4.1904 in Gütersloh tätig. Er bat Mitbrüder und Katholiken außerhalb Güterslohs um Mithilfe für den Bau einer katholischen Kirche „im evangelischen Rom“ und warb so eine ansehnliche Spendensumme für den Bau der 1890 eröffneten neuen Kirche ein. Außerdem begründete er in seinem ehemaligen Pfarrhaus mit einer Stiftung seiner früheren Haushälterin als finanzieller Grundausstattung das katholische Krankenhaus, das durch weitere Ausbauten rasch zum angesehenen St. Elisabeth-Hospital ausgebaut wurde.
Das Wohnhaus der Pfarrer war 1893 direkt an der neuen Kirche „Unter den Ulmen“ errichtet worden.

Nachfolger Heinrich Wallmeyer wirkte von 1904 bis 1911 in Gütersloh. In dieser Zeit beeinflusste er den Bau der Krankenhauskapelle und gründete mit Gemeindemitgliedern den St.-Josefs-Arbeiterverein, die Jungfrauenkongregation und die Kleinkinderschule (Kindergarten).

Nur von 1912 bis 1915 wirkte Domkapitular Johannes Gabriel als Pfarrer in Gütersloh, bevor Pfarrer Kaspar Strunz (1868-1942) mitten im Ersten Weltkrieg sein Nachfolger wurde. Strunz entwickelte die Struktur und das Vereinswesen der katholischen Gemeinde weiter „ unter anderem im Katholischen Vereinshaus, das Carl Miele 1921 stiftete.

Kirchliche Einrichtungen

St. Elisabeth-Hospital am Domhof, um 1950
St. Elisabeth-Hospital am Domhof, um 1950

Kirchliche Einrichtungen entwickelte die katholische Kirche in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auch außerhalb der Städte. Dadurch modernisierte sie die Kirchenstruktur und mobilisierte auch die Gläubigen zu mehr und bewussterem Einsatz für ihre katholische Kirche.

Im mehrheitlich evangelischen Gütersloh hatte die katholische Gemeinde, deren Mitglieder mehrheitlich in den Bauerschaften Kattenstroth und Spexard lebten, zusätzliche Probleme mit dem noch bestehenden Simultaneum. Dies schränkte die Verfügungsgewalt der Laien und Pfarrer über Kirchenbesitz wesentlich ein: Erst nach der 1887 beschlossenen Auflösung mit der Fertigstellung der neuen Kirche (1890)gewannen Pfarrer, Kirchenvorstand und Gemeindevertretung ihre eigene Handlungsfreiheit.

 

So konnte Pfarrer Laurentius Becker 1894 im ehemaligen Pfarrhaus am Domhof das St. Elisabeth-Hospital als katholisches Krankenhaus eröffnen. Es wurde innerhalb weniger Jahrzehnte kräftig ausgebaut und prägte „ besonders mit den Neubauten nach dem Zweiten Weltkrieg „ nicht nur die kleine Straße am „Domhof“, sondern auch die Dalkestraße. Dort entstand schon 1908 die aufwendige Krankenhaus-Kapelle.
Pastor Hermann Wallmeyer soll zwischen 1907 und 1911 unter anderem auch eine Kleinkinderschule (Kindergarten) gegründet haben. Darüber hinaus gab es 1911 zeitweise eine katholische Privat-Töchterschule mit der Lehrerin Witwe Antonie Borkowski.

Kirchliche Vereine

Einer der ersten katholische Vereine in Gütersloh war die „Katholische Kapelle“. Sie wurde 1890 vom Pfarrer Laurentius Becker gegründet, um Messfeiern, Prozessionen und sonstige kirchliche Veranstaltungen mit Musik zu verschönern. Während die Kapelle vorwiegend Blasmusik ertönen ließ, pflegte der 1911 ins Leben tretende Kirchenchor unter der Leitung des katholischen Rektors August Schätzlein den Gesang. Der Chor entstand aus der Gesangsabteilung des damaligen Katholischen Bürgervereins als „Cäcilienchor St. Pankratius“.

Der Katholische Bürgerverein umfasste in erster Linie die Kaufleute und Bildungsbürger aus dem Stadtgebiet. Vorsitzender war Dr. Hermann Schlüter, der Kreisarzt des Kreise Wiedenbrück. Für die Arbeiter bestand auf Initiative von Pastor Wallmeyer seit 1907 der St. Josef-Arbeiterverein, für die Handwerker gab es den Katholischen Gesellenverein.

Nachdem die Sodalität der Jünglinge und Männer die männlichen Jugendlichen nach dem Besuch der Schule weiterhin für ein Leben in der katholischen Gemeinschaft zu gewinnen suchte, übernahm dies wohl um 1910 die Jungfrauen-Congregation für die heranwachsenden Mädchen und Frauen.

Der Rollenzuschreibung der Zeit und der Kirche gemäß wurden die Frauen seit Anfang des 20. Jahrhunderts im „St. Elisabeth-Frauenverein“ organisiert. Dieser widmete sich der „Wohlfahrt und Wohltätigkeit“ und ist als Vorläufer der ehrenamtlichen Caritas von entscheidender Bedeutung für das ehrenamtliche soziale Wirken der katholischen Kirche.

Der „Verein vom heiligen Borromäus. Verein zur Verbreitung nützlicher Bücher“ versuchte 1903 durch die Bereithaltung katholisch geprägter Bücher das konfessionelle Bewusstsein zu stärken und übernahm dabei auch Bibliotheksaufgaben in der Gemeinde.

Friedhof

Die gemeinsame Nutzung der Alten Kirche, wie sie durch das Simultaneum vertraglich geregelt war, erstreckte sich auch auf den Kirchhof, der in vormoderner Zeit traditionell als Begräbnisstätte diente. Während das Simultaneum 1877 endete und die Katholiken mit der St. Pankratius-Kirche erstmals ein eigenes Gotteshaus erhielten, werden auf dem neuen Friedhof Unter den Ulmen bis heute Katholiken und Protestanten gemeinsam zur letzten Ruhe gebettet.