Stadtentwicklung: Neues Gütersloh 1868

Kirche

Die neue Kirche entstand in den Jahren 1857 bis 1816 unter der Leitung des Baumeisters Christian Heyden aus Barmen.
Sie war notwendig geworden, weil die evangelische Wohnbevölkerung in Gütersloh im Zuge des Bevölkerungswachstums anwuchs und zugleich die Wirkung der evangelischen Erweckungsbewegung z.T. noch unter dem Einfluß des Pastors Volkenings zu erhöhtem Kirchenbesuch führte.

Die Baukosten hatte die Gemeinde seit 1851 in Sammlungen, durch Vermietung der Kirchensitze, durch Kirchenabgaben und durch ein Legat des Kaufmanns Heinrich Barth in dessen Testament zusammentragen. Der Bau der Kirche kosteten insgesamt 75.000 Taler.

Der Bauplatz für die neue Kirche lag an der Berliner Straße hinter zwei älteren Fachwerkhäusern, war aber von der Straße gut zu erreichen. Die beiden Vorderhäuser der Kirche blieben noch fast 100 Jahre erhalten.

Trotzdem entstand in Verbindung mit dem Bau des Rathauses auf der anderen Seite der Berliner Straße der Eindruck eines neuen, großzügigeren Zentrums für die nun rasch wachsende Stadt.

Rathaus

Das Rathaus entstand 1863/64 im Zentrum der Stadt Gütersloh im Krezungsbereich der Berliner Straße mit der vom Bahnhof kommenden Kökerstraße und der Königstraße.

Der Bau des Rathauses war durch die Stiftung von 10.000 Talern aus dem Nachlass des 1858 verstorbenen Kaufmanns Heinrich Barth möglich geworden. Errichtet wurde das Rathaus unter der Leitung des Barmener Baumeisters Christian Heyden, der auch den Bau der Neuen Kirche in fast unmittelbarer Nähe des ersten Rathauses geleitet hatte.

Die beiden Bauten waren architektonisch aufeinander abgestimmt und wiesen ähnliche historistische Stilelemente auf. Am Rathaus waren dies – im Gegensatz zur meist gotischen geprägten Kirche – vor allem Einflüsse der italienischen Renaissance, der Romanik und der Gotik.

Die gotischen Elemente wurden übrigens bei einem Umbau 1909, der auch die Vogelskulpturen auf den Eckpfeilern und die Dachgauben mit sich brachte, noch verstärkt.

Das Rathaus könne als "typischer Musterbau für die historisch orientierte Baukunst des vorigen (19.) Jahrhunderts gelten"(Axel H. und Christa Murken), der durch seine beeindruckenden Fassaden einerseits die Machtstellung der kommunalen Behörden im Bewußtsein der Bürger erhalten sollte und andererseits durch seine historisierende Konzeption das aufkeimende National- und Zusammengehörigkeitsgefühl zum preußischen Obrigkeitsstaat sichern sollte.

 

Hinter den großen Fenstern des ersten Stockes lag der Ratssaal. Daneben befanden sich das Magistratszimmer, das des Bürgermeisters und ein Raum für die 1863 gegründete Städtische Sparkasse. Das Obergeschoss beherbergte bis 1879 die Bürgermeisterwohnung und danach bis 1908 das Amtsgericht.

Außerdem befand sich hier die Polizeidiener-Wohnung. Das Gefängnis lag im Erdgeschoss des Rathauses, das somit Stadtverwaltung, Polizei und Gericht beherbergte.

Die mehrfachen Umbauten des Rathauses dienten unter anderem der Ausbesserung des Gebäudes, dienten aber auch den veränderten Nutzungen. 1909 etwa konnte nach dem Auszug des Gerichts das städtische Bauamt im Rathaus in der ehemaligen Polizeidiener-Wohnung Raum finden und 1910 bezog die Polizei im südlichen Turmbereich eine ständige Wache mit eigenem Eingang.

Unter den öffentlichen Bauten des 19. Jahrhunderts wird dem Gütersloher Rathaus in der westfälischen Architekturgeschichte eine wegweisende Bedeutung beigemessen. Das 1971 abgerissene Bauwerk könne mit Recht als Vorbild für die Rathausbauten in Wien 1872/73, Hamburg 1888/97 und München 1888/93 angesehen werden.

Gaswerk

Städtisches Gaswerk
Städtisches Gaswerk

Das städtische Gaswerk diente seit 1862 der Erzeugung von Gas als Ausgangsenergie für die Licht- und Krafterzeugung. Beides war Voraussetzung für das Wachstum des städtischen Lebensgefühls durch die Beleuchtung der Straßen sowie für die Beleuchtung der Betriebe, in denen das gleichmäßig genutzte Licht einer der entscheidenden Voraussetzungen für eine gute Produktqualität wurde. Diese Bedeutung des Gaslichts war über einige Jahrzehnte erheblich, das elektrische Licht aus den Glühlampen erst seit etwa 1895 wirksam genutzt werden konnte.

 

Für den städtischen Haushalt war das Gaswerk eine der wichtigen Einnahmequellen, da der trotz des niedrigen Gaspreises erwirtschaftete Verkaufserlös für das verbrauchte Gas von der Stadt für weitere Investitionen in die städtische Infrastruktur verwendet wurde. Die Aufnahme eines Kredits zur Baufinanzierung machte den Stadtverordneten auch deutlich, dass durch ein eigenes Kreditinstitut am Ort die Finanzierung weiterer Projekte leichter und ertragreicher für die Stadt möglich wurde – 1863 wurde die Städtische Sparkasse Gütersloh gegründet.

Krankenhaus

Das Evangelische Krankenhaus entstand dank einer Stiftung im Testament des verstorbenen Gütersloher Kaufmanns Heinrich Barth. Es orientierte sich in seiner Bauweise am Diakonissenhaus Bethanien in Berlin (erbaut 1845 – 1847).

Dabei übernahm Heyden nach Erkenntnissen von Axel H. und Christa Murken insbesondere die romantisierende und gotisierende Fassadenarchitektur mit den typischen Fassadentürmen. Sie waren zwar funktionslos, verwiesen aber auf die religiöse und politische Komponente ("Für König und Gott!") dieses für zunächst 13 Patientinnen und Patienten erbauten, aber schon wenige Tage nach der Eröffnung um sechs Betten erweiterten Krankenhauses.

Das Krankenhaus erhielt drei Geschosse und bestand aus einem Längs- und zwei Querflügeln. Die Männerstation befand sich im Erdgeschoß, die Frauenstation in der oberen Etage.

Evangelisches Krankenhaus nach der dritten Erweiterung um 1910
Evangelisches Krankenhaus nach der dritten Erweiterung um 1910

Das Krankenhaus wurde nördlich der Stadt an der Berliner Chaussee als Hauptstraße nahe der Bauerschaft Nordhorn errichtet. Dieser Standortvorteil der Ruhe wandelte sich im Laufe der Jahrzehnte unter dem Einfluß des wachsenden Autoverkehrs und der zunehmenden Industrialisierung.

Baumeister war Christian Heyden aus Barmen, der 1857-1861 den Bau der "Neuen Kirche" geplant hatte und später auch das Rathaus gestaltete.

Eingemeindung

Um etwa 15 Prozent wurde im Juli 1868 das Gebiet der Stadt Gütersloh durch eine Kabinetts-Ordre erweitert. Jahrzehntelang hatte die Verwaltung beklagt, für Gewerbeansiedlungen im Osten des Stadtkerns keine städtischen Flächen bereitstellen zu können.
Seitdem 1847 die Bahnlinie das Stadtgebiet endgültig begrenzte, fehlte diese Fläche besonders. Zwangsläufig mußten Handel und Fabrikation die Ostseite des Bahnhofs für neue Gebäude bevorzugen, denn dort war der Güterbahnhof ein wichtiger Umschlagplatz für Waren und Rohstoffe – einschließlich der Tiere für die Gütersloher Schlachtereien – geworden.

Hätten die dort neu errichteten Betriebe auf dem Gebiet der Bauerschaften Sundern und Nordhorn gelegen, wären die Steuern dem Amt Gütersloh zugeflossen. Als nun 1868 die Stadt die Flächen zugesprochen bekam, erhofften sich die Stadtverordneten und der Magistrat höhere Steuereinnahmen. 1868 war das noch ein Wunsch, und die Verwaltung beklagte 1874 gar, Gütersloh sei "ein für industrielle Anlagen geeigneter Ort".
Bis 1900 siedelten im damaligen Eingemeindungsgebiet (entlang der Bahn und teilweise beiderseits der heutigen Carl-Bertelsmann-Straße bis etwa zur Kreuzung mit der Friedrich-Ebert-Straße) aber immerhin sechs Betriebe wie z.B. die Nudelfabriken und eine Blechverpackungsfirma, deren Steuern so der Stadtbevölkerung zugute kamen.

Was 1868 ein wichtiger Schritt der Stadtentwicklung Güterslohs war, ist heute nur noch ein Bruckstück Güterslohs, Das damalige Eingemeindungsgebiet von 23 Hektar macht etwa 0,21 Prozent des Gütersloher Stadtgebietes im Jahr 2000 aus.

Das Gebiet der Stadt Gütersloh ab Juli 1868 (farbig markiert)
Das Gebiet der Stadt Gütersloh ab Juli 1868 (farbig markiert)