Freizeit: Parteien

Konserative

Ernst Buschmann
Ernst Buschmann

Der Lehrer und Stadtchronist Ernst Buschmann verfaßte gegen Ende seines Lebens eine Geschichte der Konservativen Partei in Gütersloh. Buschmann, der 1883 starb, war allerdings geprägt vom Denken des frühen 19. Jahrhunderts – Parteien im heutigen Sinne hätte er nicht verstanden.
Buschmann beschreibt in seiner Schrift die Organisation der christlich-konservativen Wähler in der Gütersloher Gesellschaft zu Kommunal-Wahlen und die politische Auseinandersetzung mit den liberaler geprägten Teilen des Gütersloher Bürgertums. Eine Partei-Struktur im heutigen Sinne mit Vorstand, Mitgliederversammlungen und Wahlvorschlägen entstand aus dieser Gruppe nicht.
Trotzdem gewannen die Konservativen starken Einfluß auf die Gütersloher Kommunalpolitik. Das lag zum einen an einem Wahlrecht, das sich an Grundeigentum und Steuerkraft als Maßstab für das Gewicht der jeweiligen Wählerstimme orientierte. Zum anderen war der konservative Einfluß durch die starke erweckungsbewegte protestantische Mehrheit der Gütersloher zu erwarten, da diese sich für Gott, König und Vaterland einsetzten.

Bürgermeister wie Louis von Schell (1862–1874) und sein Nachfolger Emil Mangelsdorf (1874–1908) nutzten in der Gestaltung der Kommunalpolitik die jeweils wechselnden Mehrheiten zwischen eher konservativen und eher liberalen Stadtverordneten zur Durchsetzung der von ihnen selbst oder von den vorgesetzten Behörden als richtig empfundenen Maßnahmen. Liberalere oder konservativere Mehrheiten entstanden allerdings nur durch die Wahl der einzelnen Kandidaten für die politischen Ämter, da es programmatisch oder ideologisch bestimmte Wahlvorschlagslisten nicht gab. Gewählt wurden jeweils Persönlichkeiten.

Liberale

Justizrat Friedrich David Groneweg
Justizrat Friedrich David Groneweg

Die Forderungen der Französischen Revolution nach Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit bestimmten Anfang des 19. Jahrhunderts im Zusammenklang mit dem Streben nach deutscher Einigung das Denken und Fühlen vieler Menschen in Preußen und anderen deutschen Staaten. Nach dem Sieg über Napoleon und dem Wiener Kongreß wurden die Wünsche und Hoffnungen des nationalen Kampfes gegen Napoleon jedoch unterdrückt, weil sonst das Machtgefüge in Mitteleuropa bedroht worden wäre.

Die Forderung nach bürgerlichen Freiheitsrechten wurde zensiert und bekämpft. Ihre öffentliche Erörterung im Zuge der Verfassungsdebatten 1848 und 1849 machte die Anwälte, ƒrzte und Beamten verdächtig. Justizrat Groneweg, der Apotheker Groneweg und auch der Arzt Dr. Friedrich Wilhelm Stohlmann gehörten zu den Bildungsbürgern, die als Liberale die Freiheiten forderten.

Trotzdem waren die "Liberalen" oder "Demokraten" weder um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch danach eine politische Partei. Ihnen fehlte sowohl am Ort wie auch in den überregionalen Zusammenhängen ein Programm und eine Organisationsstruktur, die an heutige Parteien erinnern könnte. Seit etwa 1860 waren viele der ehemaligen "Feinde des Königs" allmählich zu Bürgern geworden, die in einer national-liberalen Bewegung politische Freiheiten und nationale Einigung forderten. Sie organisierten als einzelne Personen vor allem die Gestaltungskraft des örtlichen Bürgertums für die wachsenden Städte.

Bürgermeister wie Louis von Schell (1862 - 1874) und sein Nachfolger Emil Mangelsdorf (1874-1908) nutzten in der Gestaltung der Kommunalpolitik die jeweils wechselnden Mehrheiten zwischen eher konservativen und eher liberalen Stadtverordneten zur Durchsetzung der von ihnen selbst oder von den vorgesetzten Behörden als richtig empfundenen Maßnahmen. Liberalere oder konservativere Mehrheiten entstanden allerdings nur durch die Wahl der einzelnen Kandidaten für die politischen ƒmter, da es programmatisch oder ideologisch bestimmte Wahlvorschlagslisten nicht gab. Gewählt wurden jeweils Persönlichkeiten.

Sozialdemokraten

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) war als erste der heute noch bestehenden Parteien 1875 entstanden. In Gotha vereinigten sich beiden sozialdemokratischen Parteien zur zunächst heftig bekämpften und von 1878 bis 1890 durch die Sozialistengesetze sogar verbotenen SPD.

Während sie im Deutschen Reich angesichts der immer größer werdenden Arbeitermassen zu einer Gefahr für die regierenden Kräfte zu werden drohte und mit ihren Forderungen nach mehr Rechten für die Arbeiterschaft zunehmend auch auf unpolitische Kreise Einfluß gewann, blieb die SPD in Gütersloh lange wirkungslos. Die Stadtverwaltung und die Polizei bekämpften die SPD und ihre Aktivitäten pflichtgemäß, während manche Kräfte des konservativen Bürgertums immer wieder heftige Attacken gegen die seit 1890 aktiver und auch bei Wahlen erfolgreicher werdenden Sozialdemokraten befürworteten.

Zusammen mit den Wählern der katholischen Zentrumspartei konnten die Sozialdemokraten allerdings 1893 einmal erfolgreich einen gemeinsamen (Zentrums-) Kandidaten für den Reichstag im hiesigen Wahlbezirk durchsetzen

Im Hintergrund: Parteilokal Dalkekrug
Im Hintergrund: Parteilokal Dalkekrug

Während sozialdemokratisch geprägte Vereine wie ein Arbeiter-Turnerbund oder Gesangvereine noch 1905 nur wegen der Pressionen der Arbeitgeber, der Öffentlichkeit und der Polizei nur zeitweise bestanden, wurde der SPD-Ortsverein Gütersloh am 23. August 1908 mit Unterstützung der Genossen aus Bielefeld erfolgreich gegründet. 16 Parteimitglieder wählten zwei Deligierte für einen Parteitag in Nürnberg, etwa 30 Männer gehörten seinerzeit in Gütersloh zur SPD.

Einfluß auf die politischen Verhältnisse in der Stadtverordnetenversammlung konnten die Sozialdemokraten wegen des ungleichen Stimmrechts zwischen Besitzbürgern und Arbeitern kaum nehmen. Während die politischen Gegner argumentierten, ein abhängig Beschäftigter könne - im Gegensatz zum Grundbesitzer, Beamten oder Selbständigen - die Interessen der Allgemeinheit nicht vertreten, konnten die SPD-Kandidaten nicht ausreichend Stimmen auf sich vereinigen, um als Stadtverordnetengruppe auftreten zu können. 1914 zählte die SPD in Gütersloh bereits 140 Mitglieder, die die örtliche Politik durch ihre Vorschläge allenfalls indirekt beeinflussen konnten, während die SPD im Reichstag zu einem immer wichtiger werdenden politischen Faktor wurde.