Technik: Versorgung / Entsorgung

Gaswerk

Gas diente um die Mitte des 19. Jahrhunderts in vielen Städten als Energie, die in Gasherden zum Beispiel für das Kochen im Haushalt, in Gasmotoren für den Antrieb von Maschinen und in Gaslampen zur Erleuchtung der Umgebung verbrannt wurde.

Gas wurde in Gaswerken durch die Verbrennung von Kohleprodukten erzeugt. Voraussetzung für den Bau einer solchen Gaserzeugungsanlage war die Möglichkeit, genügend Kohle herbeizuschaffen. Seit dem Bau der Eisenbahn 1847 war dies für Gütersloh möglich. Der neue Bürgermeister Louis von Schell hatte aus Unna bereits Erfahrungen mit Gaswerken – und mit der Finanzierung des Baus und des Rohrnetzes.

Das städtische Gaswerk wurde 1862 an der Herzebrocker Straße, dem äußersten westlichen Ende der Stadt Gütersloh, errichtet. Die Bauzeit für diese Anlage betrug vom Errichtungsbeschluß bis zur Eröffnung knapp sieben Monate: Am 11. November 1862 konnte erstmals die Straßenbeleuchtung mit Gas vorgenommen werden sowie Häuser und Betriebe versorgt werden. Größter Kunde war zunächst der Bahnhof Gütersloh, dessen Gebäude und Bahnsteige nun im Lichterglanz erstrahlten.

Städtisches Gaswerk an der Herzebrocker Straße um 1925
Städtisches Gaswerk an der Herzebrocker Straße um 1925

Das Personal des Gaswerks bestand 1907 aus einem Gasmeister, "vier Ofenarbeitern, welche sich abwechselnd zu je zwei Mann in die Tag- und Nachtschicht teilen, einem Vorarbeiter, einen Installateur, zugleich zweiter Gasmeister, einem Schlosser und zwei Platzarbeitern bzw. Laternenwärtern."

Das berichtet der Städtische Verwaltungsbericht von 1907, der im Stadtarchiv einzusehen ist. Eine Gaslaterne etwa aus dem Jahr 1900, die zuletzt umgerüstet als elektrische Laterne am Alten Kirchplatz zur Ecke Kirchstraße geleuchtet hatte, ist in der Ausstellung zur Stadtgeschichte im Stadtmuseum zu bestaunen.

Übrigens hatte der Bau des Gaswerkes eine weitere Folge neben der Versorgung mit neuer Energie: Finanziert worden war der Bau noch durch einen Kredit der Städtischen Sparkasse in Unna, doch nun entwickelten die Stadtverordneten 1862/63 Interesse an einer eigenen Sparkasse als Möglichkeit der Finanzierung öffentlicher und privater Investitionen und als Einnahmequelle durch die Verzinsung. 1863 entstand die heutige Sparkasse Gütersloh als neue städtische Einrichtung.

Gas-Beleuchtung

Gasbeleuchtung an der Verbindung zwischen Berliner Straße und altem Krirchplatz um 1965
Gasbeleuchtung an der Verbindung zwischen Berliner Straße und altem Krirchplatz um 1965

In Gütersloh begann das Zeitalter der Straßenbeleuchtung am 11. November 1862 mit der Herstellung des ersten Gases aus dem neuen städtischen Gaswerk. Etwa 50 Gaslaternen waren geplant worden, doch 1864 waren erst 36 an den insgesamt sechs Straßen der Stadt aufgestellt. Langsam steigerte sich die Zahl auf 53 (1875) und schließlich 178 im Jahr 1908. Von ihnen leuchteten 33 die ganze Nacht hindurch.
Die Lampen wurden bis etwa 1900 von den beiden Gütersloher Nachtwächtern gezündet und gelöscht. Danach übernahmen zwei städtische Arbeiter diese Aufgabe.

Zeitweise wurde aus Kostengründen der Weg aus der Stadt hinter dem Evangelischen Krankenhaus in der Bauerschaft Nordhorn mit einer und das Ende der Brockhäger Chaussee mit drei Petroleumlampen erleuchtet: Der Bau einer Gasleitung war der Stadt noch zu teuer. Erst die Ansiedlung weiterer Kunden wie die Seidenweberei Gebrüder Bartels nahe des Krankenhauses und die Weberei Niemöller & Lütgert an der Brockhäger Chaussee machte den Leitungsbau durch die von ihnen genutzten Gasmengen rentabel.

Elektro-Beleuchtung

Privatvilla Abel, Lindenstraße
Privatvilla Abel, Lindenstraße

Die private Straßenbeleuchtung mit elektrischem Strom wurde vom Ingenieur Conrad Theodor Müller 1899 an der heutigen Carl-Bertelsmann-Straße geplant. Drei Laternen sah Müller dafür vor, die vermutlich aus einem Industriebetrieb mit Dampfmaschine ihre Energie beziehen sollten. Ob diese Anlage wirklich ihren Betrieb aufnahm läßt sich nicht mehr feststellen.

Sicher ist die Verwirklichung der im November 1903 geplanten "Elektrizitätszentrale" von Conrad Theodor Müller an Avenstroths Mühle, die durch Wasserkraft elektrischen Strom erzeugte. Bis zu 36 Villen mit über 700 Glühlampen und acht Motoren wurden damit um 1910 betrieben. Möglicherweise war unter den vielen Nutzern im Bereich des heutigen Stadtparks auch jemand, der seine Glühlampen auch an der Straße leuchten ließ.

Industrie-Beleuchtung

Nähsaal von Niemöller und Abel
Nähsaal von Niemöller und Abel

Die Gütersloher Betriebe schlossen bereits in den Jahren nach 1890 vielfach Generatoren an ihre Dampfmaschinen an, die elektrischen Strom zur Beleuchtung der Fabrikhallen und der Büros lieferten. Neben den Textilbetrieben waren auch die Brennereien Gottlieb Niemöller, Stahl und H.C.König auf diese Art der Stromerzeugung übergegangen.

Diese industrielle Stromerzeugung ermöglichte es zum Beispiel bereits um 1910, im Evangelischen Krankenhaus an der Berliner Straße ein Röntgengerät aufzustellen und einzusetzen. Gütersloh hatte zu dieser Zeit noch kein eigenes Stromnetz und bekam noch keinen elektrischen Strom geliefert – diese Lieferungen der VEW begannen erst 1914.
Den Strom zum Betrieb des Röntgengerätes lieferte die Seidenweberei Bartels, die dem Krankenhaus gegenüber ihren Betrieb unterhielt.

VEW

Das "Elektrizitätswerk Westfalen AG" (heute: VEW) übernahm nach Verhandlungen mit einer Kommission der Stadt durch einen Vertrag von 1912 die Aufgabe, die Stadt Gütersloh mit Strom aus eigener Produktion zu versorgen. Das Unternehmen verpflichtete sich dazu, die Zuleitungen nach Gütersloh auf eigene Kosten herzustellen und verkaufte den Strom an die Stadt Gütersloh. Diese wollte vor Ort mit einem eigenen Stromverteilungsnetz den elektrischen Strom an die 1910 erwarteten rund 200 Abnehmer mit etwa 2000 Glühlampen und fast 100 Motoren als Verbrauchsstellen weiterleiten.

Wohnzimmer mit elekronischer Beleuchtung
Wohnzimmer mit elekronischer Beleuchtung

Leiter des städtischen Elektrizitätswerkes Anfang 1913 wurde Conrad Theodor Müller, der sich seit über zehn Jahren als Ingenieur in Gütersloh mit der Stromlieferung und Stromerzeugung befasst hatte. Der erste Baubabschnitt für die notwendige Transformatorenstation und die Leitungen in Gütersloh war schon Ende September 1913 abgeschlossen. Man erwartete nach neueren Kundenbefragungen nun bereits 4000 Glühlampen und eine Anzahl von Motoren als erste Verbrauchsstellen. Doch nun hatte der Stromlieferant Probleme, die Zuleitungen nach Gütersloh herzustellen. So entschieden sich die Stadtverordneten in Gütersloh zur Aufstellung einer Dampf-Lokomobile als Zwischenlösung bis zur Fertigstellung des Überlandkabels aus den Kraftwerken in Hamm-Stockum und Selm im Februar 1914.

Damit entstand nach dem Gaswerk (1862) und dem Wasserwerk (1889) mit Inbetriebnahme der Stromversorgung das Elektrizitätswerk als dritter Eigenbetrieb der heutigen Stadtwerke Gütersloh.

Das Umspannwerk der VEW an der Marienfelder Straße
Das Umspannwerk der VEW an der Marienfelder Straße

Das städtische Netz, das mit zunächst fünf Umspannstationen betrieben wurde, war im Stadtkern unterirdrisch und außerhalb mit Freileitungen angelegt worden und umfasste zunächst eine Gesamtlänge von 45,5 Kilometern Länge. Zum Vergleich: Die Gasleitungen hatten 1862 mit einer nicht mehr zu ermittelnden Gesamtlänge des Netztes begonnen und waren 1907 bei einer Netzlänge von etwa über 14,5 Kilometern angelangt und für das Wasserwerk waren 1889 zunächst rund 9,2 Kilometer Rohr zu den Kunden verlegt worden. Das 1898 noch als "Luxusbeleuchtung" angesehene elektrische Licht hatte seinen Siegeszug längst begonnen, denn rund 800 statt der zunächst beantragten 200 Anschlüsse waren bereits 1914 fertiggestellt. Nur die Nutzung des für den Netz- und Nutzungsausbaus benötigten Metalls für die Kriegführung verhinderte den raschen Weiterbau in die Eingemeindungsbezirke Sundern, Kattenstroth und Nordhorn, während in Blankenhagen und Pavenstädt noch Vorbehalte bestanden.

Wasserwerk

Das städtische Wasserwerk entstand als Reaktion auf die zunehmende Verschmutzung des Wassers und die Entdeckung von Krankheitserregern (Cholerabaktierien)im Wasser durch Robert Koch im Jahr 1883.

Nach umfangreichen Voruntersuchungen und Probebohrungen entschied sich die Gütersloher Stadtspitze für ein Brunnenfeld am Kolonat Güth (heute Langer Weg). Von dort aus wurde die Bevölkerung seit dem 1. Oktober 1888 mit hygienisch einwandfreiem Wasser versorgt. Als Zwischenbehälter und zur Erzeugung des notwendigen Wasserdrucks diente der 1889 fertiggestellte Wassertrum nahe dem Evangelisch Stiftischen Gymnasium und dem städtischen Gaswerk.

Plan des Wasserturms, Zeichnung um 1890
Plan des Wasserturms, Zeichnung um 1890

Die Anlage mußte ständig technisch verbessert und in ihrer Kapazität erweitert werden. Das betraf sowohl die steigende Fördermenge wegen des Bevölkerungswachstums und des Industriewachstums als auch qualitative Aspekte. Nach der Eingemeindung am 1. April 1910 wurde das Netz, das zuvor "nur" um 200 Meter pro Jahr gewachsen war, innerhalb von fünf Jahren um 10,2 Kilometer Länge auf nun über 27,5 Kilometer verlängert.

Die größte Verbrauchsmenge war übrigens an die Eisenbahn abzugeben: Die Lokomotiven brauchten Wasser für den Betrieb vor dem Anstieg der Bahn nach Bielefeld. Private Haushalte mussten oft durch einen städtischen Anschlußzwang dazu gebracht werden, die zunehmend unhygienischer werdenden Hausbrunnen durch das vergleichsweise saubere Stadtwasser zu ersetzen. Hier waren Kostengründe grössere Hemmnisse für eine Anschlußentscheidung als die spürbar größere Bequemlichkeit und Sauberkeit.

 

Im Stadtmuseum wird neben zahlreichen Einzelteilen und Geräten zum Wasser-, Strom- und Gasgebrauch in einer Zeichnung aus dem Jahr 1906 sichtbar, an welchen Stellen im seinerzeit modernen Haushalt das Wasser aus dem städtischen Wasserwerk eingesetzt werden konnte.

Kanalisation

Abwässer von Handwerk, Gewerbe und Industrie gefährdeten die Gesundheit der Menschen. Das wußte man endgültig, seit 1873 eine wissenschaftliche Kommission die Cholera-Vermeidung durch sauberes Trink- und Brauchwasser forderte. In Gütersloh aber flossen die Abwässer noch über Jahrzehnte mehr oder weniger durch die Rinnsteine der Stadt zur Dalke, wo sie ungeklärt eingeleitet wurden, oder versickerten auf den Höfen in Dunggruben, die nahe den Trinkwasserbrunnen lagen.

Zeichnung der Schmutzwasserkanäle
Zeichnung der Schmutzwasserkanäle

Erst 1913 wurde eine städtische Kläranlage im Bereich des heutigen Westrings angelegt, zu dem das Abwasser durch die neu angelegte Kanalisation geleitet wurde. Dieses städtische Netz der Abwasser-Entsorgung sorgte durch unterirdische Rohre für einen Abfluß der Schmutzwasser und Fäkalien, der für Kinder, Tiere oder Pflanzen den direkten Kontakt mit möglicherweise gefährlichen Stoffen verhinderte.

Übersichtsplan der Regenwasserkanäle, 1914
Übersichtsplan der Regenwasserkanäle, 1914

Gleichzeitig mit der Schmutzwasser-Ableitung wurde auch ein Regenwasser-Kanalsystem geschaffen, dessen Aufgabe die schnelle Ableitung von Regenwasser aus der Stadt wurde. Auf diese Weise sank auch die Hochwassergefahr in der Stadt, da nun größere Regenwasser-Mengen unterhalb des Stadtkerns in die Dalke gelangten und nicht in der Nähe des Stadtgebietes den Dalke-Pegel erhöhten.

Im Stadtmuseum sind in dessen stadtgeschichtlicher Abteilung zur Infrastruktur Zeichnungen von Kanalreinigungsgerät und die Darstellung eines Wohnhauses mit den neuartigen Toiletten, den Bade- und Wascheinrichtungen sowie den Anschlüssen für Trinkwasser und Kanalisation zu sehen. Sie wurden seit etwa 1900 allmählich Teil der Neubauten und sind nach 1950 in verschiedenen Formen Standardausstattung auch im sozialen Mietwohnungsbau.

Das Stadtarchiv überliefert vor allem Akten zur Vorgeschichte der Kanalisation mit Beschwerden über unsaubere Rinnsteine und verschmutzte Hausbrunnen.