Wirtschaft: Handel / Gaststätten

Fuhrleute

Die Blütezeit des Gütersloher Fuhrgewerbes fällt in die Jahre nach der Fertigstellung der Köln-Mindener Chaussee (1817) und die Zeit bis zur Eröffnung des Güterverkehrs auf der parallelen Eisenbahn-Linie (1847).

 

Gütersloher Fuhrmänner waren wahrscheinlich schon vor 1700 im Auftrag auswärtiger Handelshäuser oder auf eigene Rechnung unterwegs. Nachweisbar hat von 1694 bis 1848 die Familie Angenete in vier Generationen als Frachtfahrer ihr Geld verdient. Sogar die Ehefrauen stammten oft aus Fuhrmannsfamilien.

 

1830 rechnete man als Transportgut jährlich 3000 Zentner Butter, 1500 Zentner Fleischwaren, 500 Zentner Hanf, 1500 Zentner Lumpen und 1000 Zentner rohe Häute – wohl als Ferntransporte für die geplante Eisenbahn.

Güterbahnhof
Güterbahnhof

Die Beförderung von Ware für Händler war zu keinem Zeitpunkt der wichtigste Erwerbszweig in Gütersloh. Selbst in Zeiten des Pferdetransports wuchs ihre Zahl in Gütersloh im Verhältnis zu Zahl der Gewerbetreibenden nicht weiter an:

Im Jahr 1822 gab es 202 Gewerbetreibende, darunter 21 Händler (ca. 10 Prozent) und 51 im Fuhrgewerbe wirkende Personen (ca. 25 Prozent der Gewerbetreibenden).

1845 waren in Gütersloh 523 Gewerbetreibende verzeichnet. Von ihnen handelten 131 mit Waren (ca. 25 Prozent) und 75 Personen ( ca. 14,3 Prozent) transportierten sie als Fuhrleute.

Allerdings waren die Verbesserungen der Straßentechnik – also der Chaussee – und der Fahrzeugtechnik – der Bau größerer Wagen für mehr Gewicht – durchaus Anzeichen für größere Effektivität beim Einsatz der Gütersloher Fahrzeuge. Insofern dürfte die Transportmenge aus Gütersloh durchaus zugenommen haben. Allerdings fehlen darüber weitere Angaben.

 

Das Fuhrgewerbe übernahm nach der Fertigstellung der Eisenbahn die Verteilung der Waren vom Güterbahnhof oder auch den Transport zum Bahnversand, wenn die Unternehmungen nicht mit eigenen Fahrzeugen arbeiteten. Dabei wurden bis weit nach dem Ersten Weltkrieg noch Pferde als Zugtiere eingesetzt. So übernahm Adolf Titgemeyer 1909 den Kohlenhandel und das Fuhrgeschäft von Ludwig Heißmann an der Lindenstraße. Er erwarb 1925 seine erste Zugmaschine und lieferte noch bis 1958 mit Pferden aus.

Verleger

Verleger waren Kaufleute, die Rohstoffe zur Weiterverarbeitung zu Kleinunternehmern brachten, deren Arbeit bezahlten und die fertigen Produkte weiter verkauften.

In Gütersloh hatte das Verlagswesen vor allem für die Herstellung von Garn eine große Bedeutung.

Die Verleger brachten die Flachs-Fasern in vorbehandeltem Zustand aus dem Ravensberger Land zu den heimischen Spinnerinnen und Spinnern. Das hergestellte Garn holten sie wieder ab und verkauften es entweder zur Herstellung von Leinenstoffen im Raum Bielefeld oder bei noch besserer Qualität zum Beispiel nach Brabant, wo die feinen Gütersloher Garne zu Brüsseler Spitzen verarbeitet wurden.

Mit dem Ende der Hand-Garnspinnerei erlosch die bedeutungsvolle Rolle des Verlegers im Textilgewerbe.

Die Berufsbezeichnung Verleger ist heute nur noch bei der Herstellung von Büchern und Tonträgern erhalten.

Alte Heuwaage

Alte Heuwaage
Alte Heuwaage

Lumpenhandel

Lumpenhandel Saligmann (rechts), Kökerstraße
Lumpenhandel Saligmann (rechts), Kökerstraße

Lumpenhandel war in den Jahren nach dem Eingehen der Handspinnerei als Erwerbszweig der einfachen Leute, ab etwa 1825 ein Noterwerb. Die Gewerbesteuerlisten im Stadtarchiv weisen den Anstieg der damals unter dem Oberbegriff "umherziehende Händler" verzeichneten Lumpensammler von 33 (1819) auf 84 (1843) bzw. 97 (1858) aus.

Die ehemaligen Spinner konnten die Qualität der Textilreste beurteilen, deren Weiterverkaufswert an die Großhändler von entscheidender Bedeutung war. Verwendet wurden die Lumpen meist für die Textilherstellung.

Als 1847 die Köln-Mindener Eisenbahn eröffnet wurde, entwickelte sich Gütersloh nach einem Bericht der Industrie- und Handelskammer Bielefeld "zum Zentrum des Lumpenhandels im Regierungsbezirk" (also Ostwestfalen).

Der Grund dafür lag nicht in der Tatsache, dass hier übermäßig viele "Lumpensammler" tätig waren. Vielmehr hatte die Familie Saligmann an der Kökerstraße einen großen Handelsbetrieb für Lumpen aufgebaut und ließ die Textilreste von hier aus per Bahn zur Weiterverarbeitung in die Papiermühlen des Rheinlandes transportieren.

Abgesetzt wurden 1856 insgesamt 10.000 Zentner und 1860 rund 15.000 Zentner Lumpen.

Hotelbetriebe

Hotel Barkey an der Kökerstraße, heute Bäckerei Birkholz und Goldschmiede Haines.
Hotel Barkey an der Kökerstraße, heute Bäckerei Birkholz und Goldschmiede Haines.

Hotels dienten in Gütersloh seit etwa 1870 zunehmend der Unterkunft und Verpflegung der gebildeten Stände. Sie waren somit klassische Einrichtungen des bürgerlichen Reiseverkehrs.

 

In Gütersloh bestanden um die Jahrhundertwende drei Hotels, von denen der Westfälische Hof (heute: "Fasan", Kökerstraße 10) und das Hotel Barkey (heute: Goldschmiede Haines und Durchfahrt zum Kolbeplatz) in der Kökerstraße als Seitenstraße der Chaussee und als Verbindungsstraße zum Bahnhof lagen. Das Hotel Freese oder "Kaiserhof" stand an der Kirchstraße an der Stelle des heutigen Parkhotels.

 

Für die durchziehenden Handwerkergesellen gab es übrigens seit etwa 1890 mit dem Evangelischen Vereinshaus unter der Leitung des Hausvaters Tobusch ein zweckmäßiges und günstiges Quartier mit stark religiöser Prägung, aus dem sich in den 1950er Jahren der "Ravensberger Hof" als beliebtes Hotel entwickelte.

Hotel Westfälischer Hof, Kökerstraße, heute "Fasan"
Hotel Westfälischer Hof, Kökerstraße, heute "Fasan"

Gaststätten

Gaststätten für Fuhrleute waren entlang der Chaussee unerläßlich. Als bekanntester gilt der Gasthof C.H. Stock am späteren Rathausplatz. Insgesamt wurden im Kreis Wiedenbrück an "Krügen und Ausspannungen für das Frachtfuhrwerk und die zum Markte kommenden Landleute" zunächst 34 (1819) und dann sogar 51 (1843) verzeichnet, bis sich die Zahl auf 39 im Jahr 1858 reduzierte.

 

Groß war auch die Zahl der Schankwirte im Raum Gütersloh. Viele kleine Händler, Hofinhaber oder Hausbesitzer hatten zusätzlich die Konzession für den Ausschank von Bier und Branntwein erworben. Im Kreis Wiedenbrück waren es zunächst rund 125, doch 1858 hatte sich ihre Zahl auf 53 reduziert. Viele dieser Schankwirtschaften waren Zeichen der Not, wenn die Spinnerei nach 1820 nicht mehr den Lebensunterhalt sicherte.

Rechts Gasthof C. H. Stock am Rathausplatz.
Rechts Gasthof C. H. Stock am Rathausplatz.

Zugleich stieg aber auch das Niveau der Gastronomie: Zwischen 1819 und 1858 verdoppelte sich beispielsweise die Anzahl der "Gasthöfe für gebildete Stände" von neun auf 18. Dies war ohne Zweifel eine Folge der Chaussee, auf der nun bessergestellte Personen reisten, und zugleich Folge des langsamen wirtschaftlichen Aufblühens der Region, in der zunehmend mehr Gewerbebetriebe entstanden.

Geldinstitute

Das erste Gebäude der Sparkasse in der Eickhoffstraße.
Das erste Gebäude der Sparkasse in der Eickhoffstraße.

Seit 1863 gab es in Gütersloh die von der Stadt gegründete Städtische Sparkasse. Sie stand unter der Kontrolle des Bürgermeisters. Zwischen 1877 und 1907 wurde sie vom Rendanten der Sparkasse in einem Zimmer des Rathauses geführt. Deren wirtschaftlicher Erfolg vergrößerte sich mit dem Wirtschaftswachstum im Kaiserreich, an dem immer mehr Menschen Anteil hatten. Das 5.000. Sparbuch wurde fünfzehn Jahre nach der Gründung am 1. Dezember 1876 ausgegeben. Kurz nach Mangelsdorfs Ausscheiden wurde am 22.12.1908 die Nummer 25.000 ausgegeben. Die Stadt Gütersloh hatte damals rund 7.500 Einwohner.

 

Erfolgreich wurde die Städtische Sparkasse auch im Kreditgeschäft. Wegen der begrenzten Möglichkeiten zu ungesicherten Krediten war sie am Ende des 19. Jahrhunderts aber keine Einrichtung, bei der Privatleute ohne reale Sicherheiten Geld leihen konnten.

 

Die Geschäfte bot seit 1892 die neu gegründete "Gütersloh Spar- und Leihbank e.G.m.b.H" an. Das neue Geldinstitut war als Genossenschaft organisiert und vergab an Mitglieder auch Darlehn, die nicht durch einen realen Gegenwert gesichert waren. Bürgermeister Mangelsdorf gehörte zu den Gründern und wurde Aufsichtsratsmitglied. Von den 77 Genossenschaftsmitgliedern wurden Geschäftsanteile von 14.110 Mark als Gründungskapital gezeichnet. 1902 waren 414 Personen und 1912 bereits 967 Personen Genossenschaftsmitglieder geworden, die nun Anteile im Wert von 273.000 Mark besaßen. Noch in Mangelsdorfs Amtszeit erwarb die Genossenschaftsbank, deren Geschäfte Werner und Ludwig Stertkamp zunächst im eigenen Haus an der Hohenzollernstraße führten, 1906 ein Gebäude an der Königstraße. Nach Umbenennungen und Fusionen heißt das Institut heute Volksbank.

 

1901 verlegte die Reichsbank eine Nebenstelle nach Gütersloh und mit der Niederlassung der Rheinisch-Westfälischen Bank im Jahr 1907 war erstmals eine Geschäftsbank in Gütersloh vertreten.