Freizeit: Vereine

Kirchliche Vereine

Allen Vereinen gemeinsam war nun die Ausrichtung auf die unterschiedlichen sozialen Gruppen und Lebenskreise der Katholiken. Mit dieser Verbreiterung ihrer Vereinsbasis war die katholische Kirche seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in eine Phase der Modernisierung ihrer Struktur eingetreten, die sich insbesondere im Kulturkampf der Bischöfe mit antikatholischen Kirchenvorstellungen Bismarcks bewährte und die zur Schaffung eines katholischen Milieus wesentlich beitrug. Anders als die vielfach bekämpften Sozialdemokraten konnten die Katholiken ihr Milieu in Gütersloh seit etwa 1890 nahezu ungestört und zusätzlich motiviert durch die Auflösung des Simultaneums entwickeln.
Die Vielfalt des evangelischen Gemeinde- und Vereinslebens im 19. Jahrhundert ist unüberschaubar, denn wie wenige Jahre später auch das katholische Leben wurde das der Protestanten in Gütersloh in nahezu jede soziale oder gesellschaftliche Gruppe ausgedehnt. So verfestigte sich in Gütersloh das evangelische Milieu als Zusammenschluß der aktiven Personen und Mitglieder nachhaltig.

Vereinsfahne des e. Jünglingsvereins (Vorder- und Rückseite)
Vereinsfahne des e. Jünglingsvereins (Vorder- und Rückseite)

Soziale Vereine

Ehepaar Mangelsdorf
Ehepaar Mangelsdorf

In Gütersloh existierten bereits im 19. Jahrhundert zahlreiche Vereine mit sozialen Zielsetzungen und Aufgaben, die oft aus dem kirchlichen Umfeld entstanden. Die wichtigsten Gruppen und die Wende zum 20. Jahrhundert waren der Vaterländische Frauenverein, der 1878 unter der Leitung der Bürgermeistergattin Marie Mangelsdorf entstanden war, die konfessionellen Gruppen des (evangelischen) Frauenvereins und der katholische "St.-Elisabeth-Frauenverein" sowie der Frauenverein des Blau-Kreuz-Vereins.

Wesentlich war beispielsweise beim Vaterländischen Frauenverein die Beschaffung von wohltätigen Gaben und Spenden und deren Vermittlung an hilfsbedürftige Personen in Gütersloh geworden. Der Vaterländische Frauenverein entwickelte sich später weiter zu einer Gruppe des Deutschen Roten Kreuzes.

Das Rote Kreuz bestand auch in Gütersloh seit 18 als "Freiwillige Sanitäts-Kolonne vom Roten Kreuz". Vorsitzender war 1907 Dr. August Stohlmann. Er war zu dieser Zeit wie seine Mitstreiter davon überzeugt, das Rote Kreuz als "patriotischen Verein" zu führen.

Zu den sozialen Vereinen würden wir heute auch die Enthaltsamkeits- und Mäßigkeitsvereine zählen. Nach einem ersten Höhepunkt der Tätigkeit des (evangelischen) Enthaltsamkeitsvereins um 1845, als tausende von Menschen an dessen Festen teilnahmen, schlief dessen Tätigkeit in späteren Jahren allmählich ein. Als konfessionelle Anti-Alkoholikergruppen bestanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts der evangelische Blau-Kreu-Verein und die Katholische Mäßigkeits-Bruderschaft. Weltanschaulich neutral verhielten sich die Guttempler mit ihrer Gütersloher "Loge".

Gesellige Vereine

Als erster geselliger Verein entstand in die "Gütersloher Schützengesellschaft von 1832" mit dem Ziel, hier "ein Schützenfest, das doch nicht selten in den kleinsten Orten anzutreffen , und welches in mancher Hinsicht nützlich, keineswegs aber unheilbringend ist, zu veranstalten." Gütersloh biete keine Gelegenheit, "um sich auch nur einigermaßen Vergnügen bedienen zu können."

Bürgermeister Haege genehmigte das Fest am 22. Juni 1832 "in der gewissen Voraussetzung, daß es bei diesem Feste weniger darauf abgesehen ist, sich bloß auf einige Tage den Vergnügungen hinzugeben, als vielmehr den Gemeinsinn und die brüderliche Eintracht, durch eine, ohne Rücksicht auf Standesverschiedenheit zu bildende Gesellschaft zu beleben und zu fördern.."
Die Gütersloher Schützengesellschaft erlebt in den folgenden Jahren heftige Auseinandersetzungen vor allem mit dem evangelischen Pastor Johann Heinrich Volkening, der seit 1827 hier erster Prediger war und die Schützen unter anderem als "Sabbatschänder" bezeichnet hatte. Heftige Proteste der Schützen gegen die ungerechtfertigten Angriffe Volkenings endeten erst als dieser sich unter dem Druck seiner Vorgesetzten zeitweise mäßigte und 1838 nach Jöllenbeck berufen wurde.

Schützenverein Gütersloh e. V. von 1832: Schützenkönig Heinrich Degenhardt und Offizierskorps, 1892
Schützenverein Gütersloh e. V. von 1832: Schützenkönig Heinrich Degenhardt und Offizierskorps, 1892

Am Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich solche Konflikte um Festfreuden längst erledigt. Neben den gesellschaftlichen Institutionen wie der Schützengesellschaft oder den beiden Herrengesellschaften breitete sich eine neue Form der Geselligkeit. Sie entstand aus den geselligen Interessen der nun noch mobiler gewordenen Beschäftigten etwa der Eisenbahn, die jenseits oder neben kirchlichen oder gewerkschaftlichen Bindungen. Dementsprechend war sowohl beim Dilettanten-Verein "Humor" als auch bei seinem Partnerverein "Schiller" Eisenbahner Vorsitzende und Hauptakteure dieser Gruppen, die vor allem Geselligkeit und das Theaterspiel pflegten.

Militärische Vereine

Fahnenweihe des Gütersloher Landwehrvereins 1907 vor dem Gütersloher Rathaus
Fahnenweihe des Gütersloher Landwehrvereins 1907 vor dem Gütersloher Rathaus

Militärische und patriotische Vereine gehörten zu den besonderen Erscheiningsformen des deutschen Vereinswesens nach der militärisch geschaffenenen Einigung Deutschlands in den Kriegen 1866 und 1870/71.

Ihre Mitglieder waren in der Regel Teilnehmer dieser Kriege und patriotisch gesinnte Männer aus nahezu allen politischen Lagern. Selbst sozialdemokratische Arbeiter schlossen sich nach dem Militärdienst Vereinigungen wie dem Gütersloher Landwehr-Verein unter dem Vorsitz von Fabrikbesitzer Albert Niemöller oder dem Artillerie-Verein unter Bäckermeister Wilhelm Mestemacher an. Außerdem hatte hier der Kriegerverein für den Kreis Wiedenbrück mit Brauereidirektor Dr. Varnholt seinen Sitz.

Zu den besonderen Erfolgen dieser Vereinigungen gehört nicht nur die Förderung der patriotischen Gefühle, sondern auch die Errichtung des Kriegerdenkmals, das seit 1896 auf dem Dreiecksplatz an die Toten der Einigungskriege und die Siege Bismarcks und des ersten Kaisers Wilhelm I. erinnerten.

Hinzu kamen Vereinigungen, die die wilhelminische Politik der Expansion des Reiches und seiner miltiärischen Kräfte besonders förderten, etwa der Marine-Verein mit Werkmeister W. Sommerkamp, der Flottenverein für den Kreis Wiedenbrück und der Kolonialverein – letztere unter dem Vorsitz des Geheimen Medizinalrat Dr. Schlüter.

Sportvereine

"Eichenkreuz"-Sportler in der Jahn-Turnhalle in der Bismarckstraße 1915
"Eichenkreuz"-Sportler in der Jahn-Turnhalle in der Bismarckstraße 1915

Im Garten des Gastwirts Barkey an der Kökerstraße errichtete Bauunternehmer Heinrich Schlüpmann 1862 ein "Turnlokal". Der am 2.9.1862 gegründete Turnverein löste sich jedoch mangels nachhltigen Turn-Interesses am 22. März 1866 wieder auf, die Halle wurde abgerissen.

So ist der Gütersloher Turnverein (GTV) von 1879 der älteste Sportverein Güterslohs. Seine Gründung entspricht dem nationalen Geist der Zeit, denn Turnen war in Deutschland sein etwa 1815 Teil der freiheitlich-nationalen Bewegung für die Einigung der in Kleinstaaten zersplitterten "Nation" gewesen und wegen ihrer freiheitlich Ausrichtung bis 1842 sogar verboten gewesen. Danach entfaltete sich die Deutsche Turnerschaft kräftig und war "stolz darauf, dem Heere in jedem Jahre ein ganzes Armeekorps körperlich gut durchgebildeter Rekruten zu stellen."
Der GTV hatte 1914 bei Kriegsbeginn 661 Mitglieder, von denen viele der 1909 gegründeten Turnerinnen-Abteilung angehörten. Damit war der GTV einer der größte Vereinen in Gütersloh. Dies drückte auch der Bau einer vereinseigenen Turnhalle an der Bismarckstraße aus, die am 13. April 1913 eingeweiht wurde.

Vorführung von "Eichenkreuz"-Sportlern auf dem Kiebitzhof, 1909
Vorführung von "Eichenkreuz"-Sportlern auf dem Kiebitzhof, 1909

Andere Sportvereine – etwa der Arbeiterbewegung – blieben nur Episoden oder lösten sich unter dem Druck der politischen Verhältnisse rasch wieder auf.

Den klassischen Sportarten Ringen und Gewichtheben bot seit 1902 der Kraftsport-Verein eine Heimat. Er entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten aufgrund der guten Trainingsmöglichkeiten in der Sporthalle Moltkestraße positiv weiter.

 

Anlässlich der Eröffnung des Schwimmbades des Naturheilvereins an der Dalke bei Güthenke wurde am 1. August 1906 der Gütersloher Schwimmverein gegründet. Stand zunächst noch der Schwimm-Unterricht im Vordergrund, so konnte am 1909 auch Wettkampf-Sport erfolgreich betrieben werden. Diese Zweiteiligkeit der Vereinsarbeit blieb bestehen und so lernten die Gütersloher (erst ab 1919 die Gütersloherinnen) zunächst das Schwimmen, um sich dann in Wettkämpfen zu messen.

Kraftsportverein Gütersloh um 1905
Kraftsportverein Gütersloh um 1905

Der Gütersloher Schwimmverein von 1906 wurde später zum Motor der Entstehung von Parkbad (1928) und Hallenbad (1960) und ist bis heute wie der GTV, der KSV und der Turnverein Isselhorst als – 1874 gegründeter ältester Sportverein im heutigen Stadtgebiet Güterslohs – einer der Traditionsvereine, die sowohl Breitensport als auch Leistungssport anbieten.

Das Stadtarchiv sammelt die Vereinsschriften aller Gütersloher Sportvereine und macht sie auf Wunsch zugänglich. Im Stadtmuseum Gütersloh wird im Jahr 2002 eine Ausstellung der Geschichte des Kraftsports und des Kraftsport-Vereins Gütersloh gezeigt.

Schwimmbad des Naturheilvereins Gütersloh an der Dalke
Schwimmbad des Naturheilvereins Gütersloh an der Dalke

Musikvereine

Johannes Kuhlo, Gründer des Posaunenchors
Johannes Kuhlo, Gründer des Posaunenchors

Seit 1890 nannte sich der Musikverein ganz offiziell "Gütersloher Musikverein". Er hatte seit etwa 1850 in Gütersloh das musikalische Leben geprägt und hatte seinen Ursprung in den musikalischen Aktivitäten der beiden Gesellschaften "Eintracht" und "Erholung". Dort musizierten die Damen und Herren der Gütersloher Gesellschaft an den jeweiligen Flügeln – neben den Unternehmerfamilien beispielsweise auch die des Bürgermeisters Mangelsdorf.

Besondere Anregungen für die Westfälische Musiklandschaft gingen vom 1871 gegründeten Posaunenchor des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums aus. In ihm bliesen die jungen Schüler zum Ruhme des Vaterlandes und zum Lobe Gottes. Damit waren sie ein Teil der Posaunenmission, die evangelische Lehrer- und Pfarrerfamilie Kuhlo durch Großvater Karl Eduard (1822-1891) und Enkel Johannes als "Posaunengeneral" höchst wirkungsvoll ins Werk setzten, wenn z.B. bei der Eröffnung des Kaiser Wilhelm – Denkmals in Porta Westfalica 1896 gleich 1300 Bläser ins Horn bliesen.

1881 gründeten die Mitglieder des Gütersloher Turnvereins eine eigene Gesangsabteilung, den heutigen Turner-Gesangverein. Er hatte sich die Pflege des deutschen Liedgutes als Aufgabe gestellt. So war der Bannerspruch dieses Männerchores Programm und Erfolgsbilanz zugleich "Turnen und Singen half stets zu guten Dingen!" Unter der Leitung der Dirigenten Veerhof (188-1896) und Honcamp (1896-1900) waren die Turnersänger erfolgreiche Teilnehmer an musikalischen Wettbewerben.

Insgesamt zählt das Adreßbuch für Gütersloh und Umgegend im Jahr 1907 bereits 17 musiktreibender Vereine auf, die teils aus dem kirchlichen Umfeld stammen, teil aber auch aus anderen Vereinen entstanden waren.