Schulen: Volksschule
Schulwesen
Das Schulwesen unterstand im 19. Jahrhundert noch weitestgehend der kirchlichen Regelung und Aufsicht. Diese traditionelle Ausrichtung des Schulwesen änderte sich auch durch die Einführung der
Allgemeinen Schulpflicht nicht. So wurde 1825 aufgrund der Preußischen Schulgesetze von 1816 sowohl ein evangelischer als auch ein katholischer Schulvorstand gegründet, deren Aufgabe die Beschaffung
und Erhaltung des Schulgebäudes, die Überwachung des Lehrers und die Meldung freier Schulstellen war.
Mitglieder waren – nach einer Dienstanweisung von 1829 – jeweils der zuständige Pfarrer der Konfession, der Bürgermeister und zwei bis vier wechselnde Bürger. Den Vorsitz des Gremiums führte bei
äußeren, also schulorganisatorischen Fragen der Bürgermeister, bei inneren Schulproblemen der jeweilige Pfarrer. Zugleich waren Pfarrer als Schulinspektoren für die Aufsicht über die
Unterrichtsinhalte und Befähigungen der Lehrer zuständig.
Ein neues Schulgesetz von 1872 machte den Staat nominell zum allein verantwortlichen Träger des Schulwesens. Die Aufgaben des Staates bei der Schulorganisation übernahmen in der Regel die Kommunen.
Doch waren die örtlichen Schulinspektoren weiterhin in aller Regel die örtlichen Pfarrer.
Zunächst gab es in Gütersloh noch die alte Struktur mit zeitweise drei Lehrern in drei verschiedenen Schulen im Stadtgebiet und den alten Winkelschulen in den Bauerschaften. Doch die Erneuerung des
Schulwesens und die damit einhergehende Verbesserung des Bildungsstandes am Ort war im Interesse vieler Menschen in Stadt- und Landgemeinde.
Die alte Küsterschule, die Volksschule an der Kökerstraße und die Volksschule an der Kirchstraße waren die drei Schulorte der evangelischen Schulgemeinde in der Stadt Gütersloh bis zur Einrichtung
der Bürgerschule 1868. Daneben gab es die katholische Schule an der Dalkestraße für die Stadt, die Landgemeinde und die Bauerschaft Kattenstroth.
Küsterhaus
Die sogenannte Küsterschule war die traditionelle Schule der evangelischen Gemeinde. In ihr unterrichtete der evangelische Lehrer, der zugleich als Küster, Kantor und Organist der evangelischen
Gemeinde für die zunächst wenigen Kinder des Dorfes tätig war.
Mit dem Anwachsen der Bevölkerung und der neuen Schulorganisation wurde das Gebäude kurzzeitig sogar nicht mehr benutzt, weil der erste Lehrer Kuhlo 1820 das Schulhaus in der Kökerstraße als
Knabenschule bezog. Der zweite Lehrer unterrichtete in einem anderen Hause an der Kirchstraße die Mädchen.
Zur Zeit der Stadtwerdung war Christoph von Recklinghausen als dritter Lehrer in Gütersloh an dieser Schule tätig. Der Vater des Pathologen Friedrich Daniel von Recklinghausen kam 1825 nach Gütersloh
gekommen und blieb bis zu seinem Tod 184xx dritter Lehrer und Küster der evangelischen Gemeinde.
In direkter Nähe zur St. Pankratius-Kirche lag das Evangelische Küsterhaus mitten auf der heutigen Kirchstraße. Für die Lehrer hatte dies den Vorteil des kurzen Weges zum zweiten Arbeitsplatz. Für
die Schüler war der Weg zur Schule ein Weg in die Stadtmitte und zugleich zur Kirche, deren Schriften, Regeln und Lieder sie im Unterricht und im Gottesdienst kennenlernten. Allerdings waren die
Schulzimmer in diesem Haus „klein, niedrig und an einer Straße gelegen, durch welche vom Bahnhofe hin und Her das Fuhrwerk passiert, so dass das Wagengerassel nicht aufhört.“
Das Küsterhaus konnte als Schulhaus nach dem Schulneubau in der Kökerstraße 1859 verlassen werden. Das Gebäude brannte in der Silvesternacht 1911 ab.
Buschmann-Schule
Die erste Gütersloher Volksschule, die den Bedingungen der preußischen Schulreformen gerecht wurde, entstand 1820 nach Umbauarbeiten im Fachwerkhaus des heutigen Stadtmuseums Kökerstraße 7.
Die evangelische Schulgemeinde aus Kirche und Stadt hatte unter der Leitung des damaligen Bürgermeisters Tegeler das ehemalige Goldbeckersche Haus 1819 erworben und umbauen lassen. Dabei war aus der
Deele des Ackerbürgerhauses und den seitlichen Ställen das Klassenzimmer für die später jeweils rund 75 Schüler geworden. Die Raumgröße ist im hohen Teil des Ausstellungsraumes für das Stadtmuseum
noch ablesbar. Erster Rektor war von 1820 bis 1828 Karl Philip Kuhlo, dessen Enkel 1871 den Posaunenchor des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums begründete. Nach einem Streit mit Pastor Volkening über
den Gesang bei einer Beerdigung verließ Kuhlo die Schule in Richtung Heepen. Sein Nachfolger als Lehrer und Kantor wurde Ernst Buschmann (1803-1885).
Buschmann war 1828 nach zweijähriger Ausbildung als Lehrer-Anwärter aus dem evangelischen Lehrerseminar in Soest nach Gütersloh gekommen.
Geschichten aus der Bibel, das Bertelsmann-Lesebuch für evangelische Volksschulen und die Lieder der Gemeinden standen als Lesestücke, Lernstoff und Gesangsübungen auf dem Stundenplan der
evangelischen Schulen. Der Unterricht sollte nicht nur Kenntnisse, sondern „die fromme Andacht und die Erhebung der Seele zu Gott in Selbstprüfung und heiterem Vertrauen“ (Buschmann) einüben.
Spätestens seit 1859 wurde die Schule in Abgrenzung zur gegenüber neu eröffneten Mädchen-Volksschule unter der Leitung von Friedrich Eickhoff nach ihrem langjährigen Leiter Buschmann-Schule
genannt.
Ernst Buschmann wurde nach 40 Dienstjahren 1868 als dienstältester Gütersloher Lehrer Rektor der neu erbauten Bürgerschule. Mit seinen Schülern verließ er 1868 das Gebäude, in dem er mit seiner
Familie auch gewohnt hatte und bezog die heutige Altstadtschule als Dienst- und Wohnsitz.
Eickhoff-Schule
Ebenfalls in der Kökerstraße unterrichtete seit 1859 der evangelische Lehrer Friedrich Eickhoff in einem eigenen Schulgebäude die Mädchen. Diese „Eickhoff-Schule“ lag wenige Meter entfernt von der
Buschmann-Schule (heute Stadtmuseum) auf dem Gelände der heutigen Gaststätte „Fasan“.
Friedrich Eickhoff war wie sein Kollege Ernst Buschmann im Lehrerseminar in Soest ausgebildet worden. Er kam 1829 als Lehrer an die Mädchenschule. Eickhoff wurde über Gütersloh hinaus bekannt als
Schöpfer des Weihnachtsliedes „Ihr Kinderlein kommet“. Den Text hatte Eickhoff bei dem katholischen Geistlichen Christoph von Schmidt (1768-1854) gefunden, die Melodie stammte vom Lüneburger
Kapellmeister Johann Abraham Schulz. Eickhoff, der durch die Heirat mit Anna Friederike Bertelsmann Schwiegersohn des Verlegers Carl Bertelsmann wurde, trug einige sehr populäre Liederbücher
zusammen, die der Verlag Bertelsmann zu seinen meistverkauften Produkten zählen konnte.
Am 2. Mai 1859 konnte Eickhoff in der Kökerstraße in fast unmittelbarer Nähe des Schulhauses seines Kollegen Buschmann ein neu erbautes Schulgebäude beziehen. Das neue Schulhaus galt als schönes
Haus mit geräumigen hohen und freundlichen Schulzimmern. Heute steht an dieser Stelle die Gaststätte „Fasan“ schräg gegenüber dem Stadtmuseum.
Dieses neue Schulgebäude verließen Eickhoff und der mit ihm gekommene dritte Lehrer aus dem Küsterhaus, um in der 1868 neu errichten Bürgerschule erstmals alle Klassen der Evangelischen Stadtschule
gemeinsam in einem Schulhaus unterrichten zu können. Eickhoff wurde 1879 pensioniert.
Altstadtschule
Die heutige Altstadtschule entstand 1868 als Bürgerschule zwischen der noch nicht ausgebauten Moltkestraße und der gerade weiter wachsenden Neuen Reihe (Hohenzollernstraße) fast im geographischen Mittelpunkt des damaligen Stadtgebietes. In ihr wurden die bisher drei Schulen in einem Bau zusammengefasst, der sechs Klassenzimmer und eine Wohnung für den Rektor Buschmann enthielt.
1870 sind nach den Berichten der Schulchronik etwa 550 Kinder auf dieser einzigen evangelischen Volksschule der Stadt zu unterrichten gewesen. Dafür waren fünf Lehrer tätig. Schon 1878 musste wegen des weiteren Anwachsens der Schülerzahlen ein Anbau mit zwei Klassenzimmern errichtet werden. 1888 wurden zwei Klassenräume aufgestockt und 1902 wurde erneut Platz für zwei Klassen geschaffen, als wiederum angebaut wurde.
Katholische Volksschule
Um 1830 entstand an der heutigen Dalkestraße 2 die erste katholische Volksschule für Gütersloh, die im Sinne der preußischen Schulgesetzgebung organisiert wurde.
Die Unterrichtsfächer in den Volksschulen in Gütersloh unterschieden sich nicht. Aber die Lehrinhalte waren entsprechend der konfessionellen Ausrichtung der Schule gestaltet: In den katholischen
Lesebüchern waren Geschichten über Heilige, über Maria als Mutter Gottes und die Päpste selbstverständlich. Im Gesangsunterricht wurden die katholischen Kirchenlieder eingeübt. So bereitete die
Schule die Kinder auf ein kirchlich geprägtes Leben vor.
Der katholische Lehrer Wulf war im Jahr 1868 zugleich Küster und Organist der Kirchengemeinde, während diese Ämter bei den Evangelischen schon von zwei Lehrern wahrgenommen wurden. So verbanden sich in der Person des katholischen Lehrers für die rund 150 Jungen und Mädchen, die seinerzeit das Schulgebäude nahe des Kirchplatzes besuchten, noch Schule und Kirche.
Die katholische Schule in der Stadt Gütersloh wurde erst 1908 aufgelöst. Ihre Auflösung vollzog man allerdings nur wegen der bevorstehenden Eingemeindungen zu Gütersloh. Schließlich waren seit 1896 an der Neuenkirchener Straße und kurz darauf auch in Kattenstroth-West am Hellweg (heute nahe der Gesamtschule) zwei katholische Volksschulen auf künftigem Gütersloher Gebiet entstanden, die die alte Schule stadtnah ersetzten.
Volksschulen in Gütersloh
Die wichtigste und größte Volksschule in Gütersloh war die evangelische „Bürgerschule“, auch Altstadtschule genannt, die 1888 von 899 Schülerinnen und Schülern besucht wurde. Durch die Überweisung
von rund 180 Schülerinnen in die Übungsschule des 1890 eröffneten Gütersloher Seminars für evangelische Lehrer verminderte sich die Schülerzahl kurzzeitig nochmals auf 641 Kinder. Von diesen
besuchten 48 die an sich eigenständige Mädchen-Selecta unter der Leitung von Friedrich Hark.
Zur Entlastung der mehrfach erweiterten Altstadtschule wurde 1914 die Blücherschule als neues städtisches Schulgebäude für die evangelischen Schüler errichtet. Hier waren vier Klassenräume, ein
Lehrerzimmer und ein Spielplatz bereitgestellt.
Zur städtischen Volksschule und der Übungsschule des Lehrerseminars für die evangelischen Schüler kam noch die katholische Volksschule in Gütersloh. Sie besuchten zwischen 1898 bis 1902 etwa 120
Kinder aus der Stadt und dem Amt Gütersloh.
Daneben bestand in Kattenstroth-Nord seit 1896 eine eigenständige katholische Schule für Kattenstroth. In ihr wurden zwischen 265 und 309 Kinder unterrichtet.
Bis 1907 wurde das katholische Schulsystem an die schwierigen kommunalen Verhältnisse vor der Eingemeindung Kattenstroths angepasst. In den inzwischen drei katholischen Schulen Güterslohs und
Kattenstroths wurden 1907 von sieben Lehrern bereits 1001 Kinder unterrichtet.
Zur gleichen Zeit wurden in den beiden evangelischen Schulen der Stadt 985 Kinder von nun bereits zwölf Lehrern sowie den Seminaristen unterrichtet.
Volksschulen in den Bauerschaften
Die Allgemeine Schulpflicht und die 1816 ausgesprochene Verpflichtung der Gemeinden, für geordnete Schulverhältnisse zu sorgen, führten auch zu einer Verbesserung der Unterrichtssituation in den
Gütersloher Bauerschaften.
Zunächst mieteten die Bauerschaften Unterrichtsräume an. So wurden für Pavenstädt beim Kolon Witthoff, in Blankenhagen bei Meier Raßfeld, in Nordhorn beim Kolon Hermfisse und in Sundern bei Kolon
Osthus jeweils ein Gebäude gemietet.
Doch schon nach wenigen Jahren waren diese Gebäude zu klein. So errichtete die Evangelische Schulgemeinde des Amtes Gütersloh in Blankenhagen 1838 erstmals ein eigenes Schulhaus, das 1888 und 1890
erweitert wurde. Die Schule Blankenhagen II entstand 1903 an der Marienfelder Straße. Für die größte der Gütersloher Bauerschaften wurde noch vor der Eingemeindung 1909 eine dritte Schule mit einem
Spielplatz am Blankenhagener Weg errichtet.
In Sundern wurde 1852 ein Klassenraum mit Lehrerwohnung errichtet. 1912 baute man dann ein dreiklassiges Gebäude an der Verler Straße neu, das später als städtisches Jugendheim diente. Diese Schule
Sundern I wurde durch eine zweite Schule für die Bauerschaft ergänzt, die 1898 mit vier Klassen Am Anger entstand.
In Pavenstädt wurde 1869 das Schulhaus am Pavenstädter Weg errichtet, das man 1891 um einen zusätzlichen Klassenraum erweiterte. 1906 wurde die Schule Pavenstädt II am Nordring errichtet.
In Nordhorn wurde das 1877 gebaute Schulhaus schon zehn Jahre später um einen weiteren Klassenraum ergänzt. Diesem ersten Schulhaus folgte schon 1906 ein Neubau mit zwei Klassen an der heutigen
Hülsbrockstraße.
Obwohl sich die Kattenstrother Bevölkerung mehrheitlich zum katholischen Glauben bekannten, lebten hier so viele evangelische Familien, dass im Jahr 1897 an der Diekstraße eine evangelische
Volksschule ihren Betrieb aufnehmen konnte und 1914 sogar erweitert werden musste.
Insgesamt gab es in den Bauerschaften damit 10 eigenständige Schulhäuser, die alle nach 1825 errichtet wurden.