Stadtentwicklung: Dorf Gütersloh

Kirchplatz

Am alten Kirchplatz um 1910
Am alten Kirchplatz um 1910

Der Platz um die Kirche wurde wohl seit etwa 1500 zum Zentrum des langsam wachsenden Dorfes Gütersloh. Die Kirche selbst dürfte wohl schon im 9. Jahrhundert als Holzkirche entstanden sein und wich um 1100 einem Steinbau.

Es besteht die berechtigte Vermutung, dass die Kirche auf einem Hügel neben dem Schnittpunkt zweier Straßen errichtet wurde: Eine der Strassen führte von der Ems bei Wiedenbrück in Richtung Paß durch den Teutoburger Wald in Bielefeld, die andere war demgegenüber eher unbedeutend als west-östliche Verbindung über die Kirchstraße und die Blessenstätte.

Um die Kirche und den über Jahrhunderte daneben liegenden Friedhof herum standen zunächst nur Speicher als Lagerstätten für Getreide und als Umkleiden für die zur Kirche kommenden Bauern des Kirchspiels zwischen Pavenstädt und Friedrichsdorf. Die Funktion des Platzes dürfte sich spätestens mit der Errichtung eines Gemeindehauses 1516 (Gildehaus) für die damals noch vollzählig katholische Gemeinde geändert haben.

Durch eine Rhedaer Steuerliste von 1532 wissen wir von 29 Einwohnern im Dorf. Von diesen seien vermutlich 18 aus der Fremde und nur elf aus den Bauerschaften in das Dorf zur Kirche gezogen, stellten die Familienforscher fest. Die Zugewanderten seien wohl als Handwerker auf Vorschlag des Grafen nahe der Kirche angesiedelt worden, um die Wirtschafts- und Steuerkraft des nun von Rheda beanspruchten Gebietes zu verbessern. Viele von ihnen übten ihr Handwerk aus und bauten zusätzlich im Bereich der Blessenstätte Hanf an.

 

Um 1578 wurden schon 101 Namen für das Dorf verzeichnet, von denen erneut zwei Drittel von außerhalb und nur ein Drittel aus dem Kirchspiel kamen. Zu diesem frühen Zeitpunkt habe das Dorf sich bereits zu einem Dreieck zwischen Kirche, Münsterstraße, Königstraße und der heutigen oberen Berliner Straße ("Busch") entwickelt, vermutete Pott.

Die Umwandlung der ehemaligen Speicher am Kirchhof zu Wohngebäuden sei wohl um 1600 begonnen und vor 1650 beendet gewesen. Für 1644 wurden dann bereits 138 Hausbesitzer im Dorf verzeichnet.

Im Jahr 1825 lebten im Dorf Gütersloh, das am 14. November 1825 erstmals als Stadt erwähnt wurde, in den 313 Häusern rund 2400 Menschen.

Der Busch

Mauerstraße um 1935
Mauerstraße um 1935

Die Siedlung "Uffm Busch" entstand wahrscheinlich als geplante Ansiedlung. 1657 veranlasste Graf Moritz vonBentheim-Tecklenburg (1615-74) als Landesherr der Herrschaft Rheda "aufm Venne vor Gütersloh nach Bilfelt hinaus" die Ansiedlung von zunächst 25 Hausstätten, die mit einer einheitlichen Größe von 35 Fuß nur von Einheimischen Güterslohern bezogen wurden. Damit entstand in kurzer Zeit eine weit vor dem Kirchdorf liegende neue Wohnsiedlung, deren Verbindungsstraße die heutige Berliner Straße "Busch-Straße" genannt wurde.
Das Siedlunggebiet begann an der heutigen Strenger Straße und erstreckte sich mit einigen kleinen Nebenstraßen wie der Wallstraße bis zum Beginn der heutigen Kahlertstraße.
In diesem Gebiet siedelten später vor allem Tagelöhner, Handwerker und einfache Händler. Es hob sich insofern durch seine Einwohnerstruktur teilweise vom besser situierten "Dorf" ab und gilt bis heute als Siedlung der einfachen Leute.

Dea Haus "Mauerstraße 11" auf dem Weg zu seinem neuen Standort.
Dea Haus "Mauerstraße 11" auf dem Weg zu seinem neuen Standort.

Forschungsergebnisse zur Geschichte des Buschs hat Ursela Langenkämper für den Heimatverein Gütersloh e.V. in einer umfangreichen Dokumentation zusammengestellt. Diese Dokumentation ist im Stadtarchiv Gütersloh einsehbar.

 

Das letzte noch stehende Haus des Busches (Bild links) wurde zum Jahresende 2000 vom bisherigen Standort an der Mauerstraße 11 auf den Hof des Stadtmuseums versetzt und dort als Baudenkmal wieder errichtet. Darin erinnert Heimatverein Gütersloh e.V. als Eigentümer des Hauses in einer Ausstellung an das Leben der Menschen. Außerdem beinhaltet es ein Museumscafe.

Chaussee

Die Berliner Straße hier an der Einmündung Münsterstraße war Teil der Chaussee
Die Berliner Straße hier an der Einmündung Münsterstraße war Teil der Chaussee

Der Bau der Chaussee veränderte das Leben in Gütersloh entscheidend. Erstmals war das durch eine Hauptstraße mit der übrigen Welt verbunden. Das war in den vergangenen Jahrhunderten meist nicht so gewesen, da zum Beispiel die Postwege über Neuenkirchen an Gütersloh vorbei verliefen.

Preußen errichtete die Chaussee als schnelle Verbindung in die westlichen Provinzen aus militärischen und wirtschaftlichen Gründen. Damit wurden die Straße aus Minden als Sitz des Regierungspräsidenten weiter durch nichtpreußische Gebiete in Richtung der Rheinprovinz mit Wesel und Koblenz als Zentren weitergebaut.

Zunächst war der Verlauf der Chaussee heftig umstritten, als sie 1817 erstmals Gütersloher Gebiet berührte. Die Einwohner wollten sie auf ihrer Hauptstraße durch die Stadt führen, während die Bauverwaltung sie eher um das Dorf herum führen wollte. Als die Verwaltung nach einem ersten Entscheid für die "Buschstraße" die späteren Pflasterhöhen anzeigte gab es erneut heftige Proteste wegen der Kosten für die notwendige Anhebung der Häuser bzw. der Eingänge. Doch im Sommer 1819 einigten sich die Kontrahenten, die Pflasterung wurde 1820 fertiggestellt und dabei sogar die seit 1811 bestehende Abwasserleitung erstmals von der Straße weggeleitet.

In der Stadtchronik von Lehrer Ernst Buschmann heißt es zusammenfassend über die wirtschaftlichen Vorteile für die hiesigen Spinner feinen Leinens, den Handel mit "Viktualien" und sonstigen ländlichen Erzeugnissen wie Speck, Schinken, Butter, Hanf und rohen Häuten, das Frachtfuhrwesen und die Branntweinbrennereien: "Es ist einleuchtend, dass auf alle diese Erwerbszweige, besonders aber auf den Viktualienhandel die seit dem Jahre 1819 durch Gütersloh verlegte Kunststraße von Berlin über Minden nach den Rheinprovinzen wohlthätig einwirkte."

 

Die Chaussee schuf aber auch ein neues Wohngefühl für die Gütersloher, die nun erstmals eine gepflasterte ("künstliche") Straße erlebten. Dieses Straßenpflaster wollten die Einwohner schon wenige Jahre später auch auf den übrigen Straßen geniessen: So wurden die Münsterstraße, die Königstraße und der erste Teil der Kirchstraße bereits 1822, der zweite Teil der Kirchstraße auf Kosten der Anwohner gepflastert.

Gefährlich war der Verkehr auf der Kunststraße auch schon in frühen Jahrzehnten: Die Stadtchronik vermerkt zum Datum 25. Juli 1835, an diesem Tage büsste "der Fuhrknecht Heinrich Obloh aus Blankenhagen auf der Chaussee von hier nach Wiedenbrück dadurch sein Leben ein, dass er sich während dem Fahren auf die Deichsel gesetzt, eingeschlafen, heruntergefallen und von seinem eigenen Wagen übergefahren".

Die Stadtchronik wird im Stadtarchiv verwahrt und ist dort einsehbar.

Im Stadtmuseum wird daran erinnert, dass die Zahlstelle für die Chaussee-Benutzungsgebühren im heutigen Gasthaus "Bermpohl" bestand.