Stadtentwicklung: Gütersloh: 1.4.1910

Stadtteile-Plan

Am 1. April 1910 wurde die in langen Verhandlungen mit der Landgemeinde Gütersloh und dem benachbarten Amt Kattenstroth-Spexard vorbereitete Eingemeindung der meisten historisch zum Kirchspiel Gütersloh gehörenden Bauerschaften zur Stadt Gütersloh vollzogen.

Wesentliche Begründung dafür war noch 1907 der Mangel an Siedlungsfläche: Der Mangels an geeignetem Bauterrain in der Stadt ist die Veranlassung gewesen, daß unsere Industriellen ihre Betriebe in den letzten Jahren in die Landgemeinde verlegt oder dort neue Betriebe gegründet haben. Nach dieser Richtung hin muß die Frage, ob eine Notwendigkeit zur Erweiterung des Stadtgebietes vorliegt, bejaht werden. Die in der Landgemeinde Gütersloh angesiedelten Industriellen haben sämtlich den Wunsch ausgesprochen, mit ihren Fabrikbetrieben der Stadt zugeschlagen zu werden; sie hoffen, daß sie dort mehr Entgegenkommen und Verständnis finden."

Neben diesem unverhohlenen Angriff auf die stark von agrarischem Denken geprägten Repräsentanten der Landgemeinde nannte der Verwaltungsbericht der Stadt aber noch weitere Argumente für die Eingemeindung: "Es kann aber für die Stadt nicht wünschenswert sein, allein bebautes Terrain eingemeindet zu sehen. Die Hauptsache ist, daß durch die Einverleibung von Grundstücken aus den benachbarten Gemeinden der Stadt unbebaute Flächen Land zugeführt werden, welche durch Aufteilung von Straßen und Plätzen, durch Aufstellung von Bebauungs- und Fluchtlinienplänen, durch Entwässerung etc. zur Bebauuung fähig gemacht werden. Es wird sich noch einmal rächen, daß um die Stadt herum eine wilde Bebauung allen Regeln der Gesundheit entgegen stattgefunden hat. (..) Während in der Stadt kein Mangel an freien Plätzen ist, (die Plätze bei der evangelischen Kirche, bei der evangelischen Schule, Gymnasium, Seminar, der neue große Marktplatz ist bis jetzt nicht ersichtlich, ob in der Landgemeinde die gleiche Rücksicht bei den Ansiedlungen um die Stadt herum gewaltet hat."

Trotz dieser heftigen Argumentation verschlossen sich die Bewohner der Landgemeinde dem Begehren der Stadt, der Industriellen und dem Rat der Regierungsbehörden schließlich nicht.
Die Stadt mit inzwischen 7500 Einwohner und einer beachtlichen Wirtschaftskraft auf einer Grundfläche von 171 Hektar wurde mit dem Vollzug der Eingemeindung von einem Tag auf den anderen um das 25fache. Damit hatte der vormalige Bürgermeister Mangelsdorf das Ziel seines beruflichen Wirkens erreicht und seinem Nachfolger Tummes die Aufgabe einer umfassenden Stadtplanung für nunmehr 17.900 Menschen rechtzeitig in die Hand gegeben.

Gütersloh-Plan

Neues Stadtbewußtsein wollten die Gütersloher Stadtväter nach der Eingemeindung vom 1. April 1910 vor allem den mehr als 12.000 Neu-Gütersloherinnen und Neu-Güterslohern einhauchen.

Diese hatten bisher in Bauerschaften wie Pavenstädt, Blankenhagen, Nordhorn oder Sundern im Amt Gütersloh oder Kattenstroth im Amt Reckenberg gelebt. Diese alten Bauerschaftsnamen wollte die Stadt Gütersloh wegen ihrer trennenden Funktion aber nicht mehr pflegen.
Das neue Gebiet außerhalb des alten Stadtgebietes wurde deshalb postalisch zunächst nach den Himmelrichtungen bezeichnet mit Nordfeld, Westfeld, Südfeld und Ostfeld, wenn noch keine eigenen Straßennamen vergeben waren.

Ende der 1920er Jahre begann das Bewußtsein der alten Bauerschaften sich wieder zu entwickeln, als zum Beispiel die Schützenvereine Pavenstädt, Nordhorn und Kattenstroth entstanden. Allein der nach dem zweiten Weltkrieg neu entstanden Schützenverein Ostfeld nahm die erste Bezeichnung der neuen Stadtgebiete auf.

Generalbebauungsplan

Am 13. März 1909 hielt im Gütersloher Rathaus der Aachener Stadtplaner Professor Karl Henrici einen Vortrag zu seinem Generalbebauungplan für die Gemarkung der Stadt Gütersloh. Mit dem Planungsauftrag für Henrici hatte Bürgermeister Mangelsdorf noch vor dem Ende seiner Dienstzeit 1908 die Zukunftsdiskussion für die Stadt angestossen.

Auf der Basis seiner Beobachtungen und Berechnungen stellte Henrici einen Baubauungs- und vor allem Verkehrsplan auf, der trotz vieler Veränderungen im Laufe der folgenden Jahrzehnte die entscheidende Planungsgrundlage für die Verkehrsplaner des gesamten 20. Jahrhunderts geblieben ist.

Henrici kritisierte 1909 die "offenbare Neigung der Bevölkerung, sich ganz verstreut anzusiedeln" und die planlose Entwicklung Güterslohs in den vorherigen Jahren indem er feststellte "Alles sei aus der Hand in den Mund entstanden ohne weitere Voraussicht"ohne Ziel und ohne Überlegung, was daraus einmal werden könne."

 

Der Plan Henricis sah vor allem eine große Ringstraße um den Stadtkern herum vor, forderte Platzräume, die Ausweitung von Grünzonen entlang der Dalke und regte den Bau eines "stattlichen" Rathauses an. Insgesamt forderte er eine Verdichtung der Bebauung und ein in neuen Siedlungsgebieten wie im Bereich der Vennstraße und der Prekerstraße sowie nördlich davon rasterförmiges neues Straßennetz.

Viele der Straßen Güterslohs sind nach Henricis Vorschlägen angelegt worden. Auch der Ring um Güterslohs Innenstadt wurde nach den Prinzipien von 1909 allmählich verwirklicht. Vor allem der Ringschluß der von Süden kommenden und im Westen und Norden geschlossenen Ringstraße (Bundesstraße 61) wurde in den folgenden Jahrzehnten systematisch betrieben. Der Schluß des Ringes auf der Ostseite blieb bis in die 1990er Jahre fragmentarisch und wurde erst 1994 mit dem Stadtring Kattenstroth, Sundern und Nordhorn zur Bundesstraße wirklich abgeschlossen.